Die Wyker Stadtbrände 1857 und 1869

„Ein freundlicher Flecken ist Wyk, dessen Häuser ohne Ausnahme mit Stroh gedeckt sind“, heißt es 1856 in einem der letzten Berichte über das alte Wyk. Ein Jahr später wurden diese Reetdächer dem kleinen Inselort zum Verhängnis. Der „Rote Hahn“, wie man einst das flackernde Feuer nannte, suchte Wyk heim. Die Folgen waren entsetzlich und sind bis heute im Wyker Stadtbild erkennbar.

Der Glanz der „Königszeit“ war vergangen, Wyk „nicht mehr in der Mode bei den Kopenhagenern“. Es entstanden neue Seebäder, und Wyk geriet in den Ruf, nicht mehr mithalten zu können. Und so wurde das ehemalige „Königshaus“ (heute: Bereich nördliche Ecke Große Straße und Königstraße) zu einem Hotel umgebaut. Dazu kam es nicht mehr. Am 7. Mai 1857 stand das Gebäude in hellen Flammen. Das bei den Bauarbeiten abends um 18 Uhr durch Unachtsamkeit entstandene Feuer breitete sich rasend schnell aus. Der Ostwind trieb es südwestlich nach Wyk hinein. Löschwasser war kaum vorhanden, denn die Brunnen waren nach regenarmen Zeiten kaum gefüllt, zudem sorgte der anhaltende Ostwind für niedriges Wasser. Hilflos mussten die Menschen mit ansehen, wie das Feuer in den engen Gassen und Gängen von Haus zu Haus sprang, die ausgetrockneten Reetdächer lichterloh brannten.

95 Wohnhäuser und 19 andere Gebäude wurden vernichtet, fast die Hälfte des kleinen Wyk. Der Zufall verhinderte noch Schlimmeres. Ein Zeitzeuge berichtet, dass der Wind schließlich drehte, „und indem die Flammen von dem noch verschonten Theil des Ortes seitwärts hinweggetrieben wurden, war dieser gerettet.“ Fast 120 Familien aber waren in wenigen Stunden obdachlos geworden. Nur wenige konnten im Ort untergebracht werden, weil man die Zimmer für die bald anlaufende Saison freihalten musste. Manche fanden Unterkunft in den Inseldörfern, andere mussten für einige Zeit auf das Festland ziehen.

Bis heute erzählen die Wyker Straßen von diesem großen Brand, der für Begradigungen und größere Bauabstände sorgte. So entstand jetzt die Carl Häberlin-Straße, der Sandwall führte nun gradlinig zum Hafen. Der untere Teil der Großen Straße wurde mit dem Schutt der verbrannten Häuser aufgeschüttet und somit höher gelegt. Ein 1954 bei Bauarbeiten in 2,5 Meter Tiefe liegender Hofplatz mit Kopfsteinpflaster, Mauerresten und Fensternischen zeugt davon. Zu sehen ist nichts, aber am Treppengeländer des Hauses Christiansen am Glockenturm erinnert bis heute die Jahreszahl „1858“ an den schnellen Wiederaufbau nach dem verheerenden Brand.

Schon vor dem Beginn des Winters sind alle eingeäscherten Häuser wieder bezugsfertig. Ein Zeitzeuge berichtet, dass die Wyker „eine unerwartet rege und thätige Theilnahme“ erfuhren. Geldspenden von nah und fern trafen ein, für drei Jahre wurden alle Abgaben erlassen, die Einfuhr von Baumaterial aus England war zollfrei. Ein Unterstützungskomitee für die Opfer der Brandkatastrophe wurde gebildet, denn alles musste neu beschafft werden, so auch „Kleider für die Kinder der Abgebrannten“. Zahlreiche Spenden von Geld, Kleidungsstücken, Nahrungsmittel und Baumaterialien trafen ein; 25 Sack Muschelkalk aus Uetersen etwa, oder vier Tonnen Zement aus Kiel. Von Amrum und den Halligen, aus Hamburg, Tondern, London und vielen anderen Orten kamen Geldspenden. Dankbar war man in Wyk, dass noch im Jahr des Brandes 400 Gäste kamen und so das schwer angeschlagene Seebad unterstützen.

Zwölf Jahre später rüstete sich Wyk zur Feier seines 50. Jubiläums. Es sollte sich tief in das Gedächtnis der Menschen eingraben, denn eine zweite Brandkatastrophe brach genau zu dieser Zeit über Wyk herein. „Als es Tag wurde, standen sie vor den Trümmern ihrer Habe“, hieß es von vielen Wyker Familien. In der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1869 brach auf dem Gelände eines Tischlermeisters in der Mittelstraße ein Feuer aus. Unerschrockene Helfer taten, was sie konnten, nicht selten unter Einsatz ihres eigenen Lebens. So brachte ein einzelner Mann aus dem schon lichterloh brennenden Kaufhaus Martens auf seinem Rücken den „alten, schweren eichenen Markttisch, der damals schon der dritten Generation diente“, in Sicherheit. Und „die ehrwürdige Amsterdamer Standuhr wurde unter anderen Sachen am nächsten Morgen auf freiem Feld westlich der Reeperbahn [heute: Badestraße, d. V.] gefunden. Auch das Wohnzimmer der Familie konnte gerettet und zum Königsgarten [heute: Gelände beim Parkplatz in der Hafenstraße, d. V.] gebracht und mit einem Zettel versehen werden: „Eigentum der Witwe Lena Christine Martens! Der ehrliche Finder wird herzlich gebeten, ihr ihr Eigentum wieder zuzustellen, wenn sie wieder ein Dach über dem Kopf hat.“

Vom Haus Sandwall 9 wird berichtet, es sei beim Brand 1857 und 1869 vom gleichen Mann gerettet worden. Er hieß Hans Daniel Ingwersen, war Landmann, Ratmann, Kirchenältester und der Großvater des gleichnamigen bekannten Wyker Fotografen. Er bewahrte das noch heute bestehende Gebäude, „indem er kaltblütig das bereits brennende Haus erstieg und das Feuer durch ihm zugereichtes Wasser löschte.“ Sein eigenes Anwesen verlor Ingwersen beim Stadtbrand von 1869.

Text und Fotos: Karin de la Roi-Frey