1842 bis 1847: Die Wyker Königszeit
Eines ist seit Jahrhunderten klar: Wenn es um die Überfahrt von Dagebüll nach Föhr geht, haben die Nordsee und die Männer auf den Schiffen das letzte Wort. Das musste auch der dänische König akzeptieren, als ein fürchterliches Unwetter und ein bedenklicher Wasserstand für die Meldung sorgten: „Die Seeleute erklären die Überfahrt für unmöglich!“ Für den König wurde die Wohnung des Dagebüller Zollverwalters, für die Königin die eigene Kutsche zum Notquartier. Und dann endlich konnte es in die Sommerfrische nach Wyk auf Föhr gehen.
Von 1842 bis 1847 kam Christian VIII. mit seiner Frau Caroline Amalie und seinem Hofstaat jährlich für einige Wochen auf die Insel. Nicht nur wegen ihrer Anwesenheit waren es „Königsjahre“, sondern auch, weil es Wyk in dieser Zeit besonders gut, ja fast königlich gut ging. Und so kamen die Wyker auf die Idee, dem König ein Grundstück (heute: Bereich Aquaföhr) für ein Schloss zu schenken, um sich seiner weiteren Aufenthalte zu versichern. Dass dort bereits ein Haus stand, war kein Problem. Es wurde abgerissen und in der Wyker Süderstraße 20 wieder aufgebaut, wo es bis heute steht. Aus dem Plan aber wurde nichts, denn der König starb 1848 mit erst 62 Jahren. Im Sommer davor war er noch in die Wyker Wellen getaucht: „Das Wasser hält nur noch 12 Grad Wärme, aber diese Temperatur finde ich eben erfrischend“.
Als „Königszeit“ sind diese Jahre in die Wyker Geschichte eingegangen und erzählen von opulenten königlichen Menüs, Ausflugsfahrten zu den Halligen, Inseltouren, Märchenabenden und Spaziergängen in der frischen Inselluft, die wie Champagner anmutete. Die sommerlichen Bälle waren auch für die Einheimischen geöffnet, und so tanzte eine junge Friesin unwissentlich mit dem König. Darüber zutiefst erschrocken, lief sie schnell nach Hause, wo alsbald ein Diener erschien, um sich nach dem Befinden der Tänzerin zu erkundigen. Manche Inselfriesin soll dagegen unter Einsatz von Leib und Seele zur „Völkerverständigung“ beigetragen haben. Die Ergebnisse sind bekannt, Nachkommen leben noch auf der Insel.
Wie es denn nun auch war, ein königlicher Setzling ist auf jeden Fall bezeugt und hat alle Zeitläufte überstanden: ein riesiger Baum im ehemaligen Wyker Königsgarten (heute. Bereich Parkplatz in der Hafenstraße). Der müsste genau genommen „Königinnengarten“ heißen, denn des Königs Gemahlin Caroline Amalie stiftete ihn dem Flecken Wyk. Den „Königsgarten“ gibt es schon lange nicht mehr, wohl aber die nach ihr benannte „Carolinenhöhe“, wobei die Bezeichnung Höhe in Relation zu einer Insel gesehen werden muss, die flach „wie ein Pfannkuchen“ im Meer liegt. Einst war die heute im Garten des Friesenmuseum liegende „Carolinenhöhe“ ein sonntägliches Ausflugsziel, zu dem man mit Proviant, Regenschirm und festen Schuhen aufbrach. Und tatsächlich, hatte man die zwei bis drei Meter Höhe erklommen, konnte man ein ganzes Stückchen weiter hinaus zum Horizont schauen.
Über die flache Inselebene ging der Blick nach Amrum, das auch unter königlich-dänischer Herrschaft stand. So war es auch mit dem westlichen Teil Föhrs, während der östliche Teil mit Wyk und einem Drittel von Nieblum zum Herzog von Schleswig gehörte, der aber auch König von Dänemark war. Und so geht die Wyker „Königszeit“ auf einen König zurück, der nicht unserer war, sondern nur unser Herzog! Dass man in Wyk Wert darauf legte, nicht zu den „Königsfriesen“ zu gehören, hielt sich noch lange. So erfuhren Kurgäste der 1960er Jahre, dass ihre Vermieterin nur zweimal in ihrem Leben im Westen der Insel gewesen sei. Was hatte sie schon mit den „Königsfriesen“ zu schaffen?
Von den selbstbewussten, freiheitsliebenden Inselfriesen erzählt heute noch so manche Tür. Jawohl, Tür! War einem dänischen König doch vor langer Zeit eine Idee gekommen, wie er die sturen Friesen auf der Insel Föhr zum ehrerbietigen Grüßen veranlassen konnte. Er ordnete nach Norden gehende Haustüren an, die für die großen Friesen viel zu niedrig waren. Damit war gesichert, dass sie sich beim Hinaustreten in seine Richtung gen Norden verbeugen mussten. Dachte der König. Die Friesen aber gingen einfach rückwärts aus ihrem Haus und zeigten ihm – ihren Allerwertesten.
Im Jahr 1864 endete die dänische Herrschaft, der die preußische folgte, was bei vielen auch nicht gerade auf Begeisterung stieß. Der Traum, aus dem ehemals dänischen Schleswig-Holstein ein eigenständiges Herzogtum zu machen, erfüllte sich nicht.
Text und Fotos: Karin de la Roi-Frey