Die Wyker Bürgermeister
Siebzig Jahre nachdem Menschen ihre durch die Sturmflut von 1634 zerstörten Halligen verlassen und in der kleinen östlichen Inselbucht von Föhr eine neue Heimat gefunden hatten, erhielt die Ansiedlung ihre Fleckensgerechtigkeit (1706). In der Folge bekam Wyk als anerkannte, zum Königreich Dänemark gehörende Kommune mit bestimmten Rechten und Pflichten ein eigenes Siegel und einen Fleckensvorsteher. Dieser erste Wyker Bürgermeister, wenn man so will, war der Gerichtsvogt Hans Köllner. In seine kurze Amtszeit fällt die Erteilung der Marktgerechtigkeit (1710), sodass seit weit über 300 Jahren Jahrmärkte in Wyk stattfinden – ausgenommen einiger Kriegs- und Krisenjahre.
Nachts mit dem Motorboot die Insel verlassen
200 Jahre später starb mit Lorenz Petersen der letzte Fleckensvorsteher Wyks (1888-1908). Unter seinem Nachfolger Dr. Ernst Moldenhauer erhielt Wyk 1910 das Stadtrecht. Moldenhauer schied bereits 1911 wieder aus dem Amt, und auch seine Nachfolger Dr. Walter Hein (1911-1915), Gustav Bergmann (1916-1919) und Gustav Coenen (1919-1923) blieben nicht lange. Bergmann ging als unermüdlicher Beschaffer von Lebensmitteln und Brennmaterial während des Ersten Weltkriegs für Wyk, das weiterhin von Gästen besucht wurde, in die Erinnerungen ein. Im Januar 1917 begab er sich nach Berlin, um sich an höherer Stelle über die Verpflegung auf der Insel erfolgreich zu beraten.
Mit der Wahl von Dr. Kuno Meyer blieb das Amt des Wyker Bürgermeisters von 1924 bis 1933 in derselben Hand. Als zielbewusst und rührig galt Meyer bei den Wykern, von denen ihm einer zurief:
„Lat se man schimpen un quarken,
mak ruhig wieder diene Saken,
hol fast dat Latt in starker Hand,
ton‘n besten vun dat Föhrer Land!“
Von den Nationalsozialisten verdrängt, musste Meyer 1934 Föhr bei Nacht mit dem Motorboot verlassen. 1945 wurde er Bürgermeister von Bad Soden und soll 1966 noch einmal Wyk besucht haben.
Carl Skov (1933-1938) und Willy Bergmann (1939-1945), dessen Amtsgeschäfte Skov von 1942 bis 1945 wieder übernahm, waren die Bürgermeister der nun folgenden Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft. Von Skov heißt es 1961 im „Insel-Boten“, er habe sein Amt ohne Fanatismus ausgeübt und Wyks Selbständigkeit zu bewahren versucht.
Nach dem Krieg: Geschäfte des Bürgermeisters werden ehrenamtlich geführt
Nach 1945 führten fünf Wyker Bürger ehrenamtlich die Geschäfte des Bürgermeisters. Eingesetzt von den Engländern unter Bernhard C. Heighton, British Commander der alliierten Besatzungsmächte auf Föhr (1946-1947), waren sie über jeden Zweifel erhaben:
- Franz Nagel
- Otto Tamm, der 35 Jahre das Hamburger Kinderheim leitete
- Dr. Friedrich Schulz, Chefarzt des Wyker Krankenhauses, der von der Gestapo verfolgten Menschen immer wieder Zuflucht in seinem Privathaus am Südstrand gewährt hatte
- Bruno Bieling, der das Amt neben seiner Arbeit als Rechtsanwalt und Notar mit „großer Energie und Verantwortungsfreudigkeit“ versah
- Broder Brodersen, später lange Jahre Bürgervorsteher
Schnell bemerkten die Engländer, dass die Wyker gut allein zurechtkamen und „von den Nazis weit und breit nichts zu sehen war“, sodass der große Militärstab bis auf einen Platzhalter die Insel bald wieder verließ.
Mit Heinrich Henke begannen 1950 die politisch ruhigeren Zeiten. Während seiner Amtszeit wurde das Ehrenmal auf dem Boldixumer Friedhof erweitert und 1953 feierlich enthüllt. Wyk hatte im Zweiten Weltkrieg 203 Gefallene und 55 Vermisste zu beklagen. Auf Henke folgten 1957 Heinz Böttger und 1969 Peter Schlotfeldt, in dessen Amtszeit nicht nur der Abriss der Grenzmauer auf der Südstrandpromenade (zirka 150 Meter östlich der Strandbar „Schapers“ in Richtung Wyk) fiel, sondern auch die Umgestaltung der Wyker Innenstadt zur mit Platten ausgelegten Fußgängerzone. „Plattenpeter“ nannten ihn die Wyker schmunzelnd zum Dank fortan. Dem nur kurz amtierenden Dr. Götz Meder (1981/82) folgte Dieter Haver, der 1985 zur Feier des 100. Jubiläums der Wyker Dampfschiffsreederei den damaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel in Wyk begrüßen konnte.
Abschied vom letzten hauptamtlichen Bürgermeister
2006 hieß es, „die Ära Roth ist in Wyk zu Ende“, nachdem Heinz-Georg Roth das Amt des Bürgermeisters 18 Jahre und damit weitaus länger als alle seine Kollegen seit 1910 versehen hatte. Er war 2000 bei seiner dritten Wiederwahl nicht nur das erste direkt gewählte Stadtoberhaupt Wyks, sondern auch der letzte hauptamtliche Bürgermeister. Mit der Ämterfusion von Wyker Stadtverwaltung und Amt Föhr-Land gab es ab 2006 nur noch einen für ganz Föhr zuständigen Verwaltungsdirektor.
Roths Stellvertreter Paul Raffelhüschen nahm während einer Interimszeit die Wyker Stadtgeschäfte wahr, bis der viel zu früh verstorbene Heinz Lorenzen mit der Ämterfusion am 1. Januar 2007 als ehrenamtlicher Bürgermeister Wyks sein Amt antrat. Maßgeblich seiner Initiative ist es zu verdanken, dass es eine Aussöhnung und Freundschaft im Sinne eines vereinten Europas mit der niederländischen Stadt Putten gibt, die während des Zweiten Weltkriegs durch die Vergeltungsmaßnahmen des von Föhr stammenden Wehrmachtsbefehlshabers in den Niederlanden, Friedrich Christiansen, mehrere hundert Bewohner durch Deportation verlor. Bei der Kommunalwahl im Mai 2008 wurde Heinz Lorenzen, der mehrere Bücher zur Wyker Geschichte veröffentlichte, wiedergewählt.
Nach sechseinhalb Jahren endete Lorenzens Amtszeit mit der Kommunalwahl 2013. Zum Bürgermeister wurde nun Paul Raffelhüschen gewählt, der seinem Vorgänger fünf Jahre zuvor mit nur einer Stimme unterlegen war. Nach einer Legislatur trat Raffelhüschen bei der Kommunalwahl 2018 nicht mehr an. Ihm folgte Uli Hess, der seither die Wyker Amtsgeschäfte leitet.
Karin de la Roi-Frey